26.04.2024

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Deutschland: Die Ermordung einer jungen afghanischen Frau stürzt das Land in einen Schock

Weit entfernt von den ersten sogenannten Ehrenmorden in Berlin wurde eine junge Afghanin von ihren Geschwistern getötet. Das Verbrechen sorgte im Land für Resonanz.

Eine junge Frau, Mutter von zwei Kindern, Mariam H. kam vor einigen Jahren nach Deutschland. Sie floh vor dem islamistischen Terror und den patriarchalen Ansichten, die in Afghanistan herrschten. Hier bekam sie die Möglichkeit, selbst Entscheidungen zu treffen und frei zu leben, von niemandem abhängig zu sein. Der europäische Lebensstil gefiel ihren Verwandten jedoch offenbar nicht. Zwei Brüder von Mariam haben den Mord begangen, angeblich um die Ehre der Familie zu schützen.

Der Fall wird von der Staatsanwaltschaft Berlin und dem Landeskriminalamt untersucht. Die Verdächtigen, 22 Jahre alt und 25 Jahre alte Brüder der ermordeten Afghanin, sind festgenommen. Ein Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft sagt:

„Wir ermitteln wegen des Verdachts des sogenannten Ehrenmordes. Der Begriff „Ehrenmord“ wird in Deutschland verwendet, wenn ein Mädchen oder eine Frau von ihren Verwandten getötet wird, weil sie nach ihrer Überzeugung die Familie durch ihre Ehre befleckt hat. „

Die Ermittlungen ergaben, dass die Brüder nach dem Mord an ihrer Schwester ihre Leiche in einen Koffer legten und nach Bayern transportierten, an den Wohnort ihres älteren Bruders in Neuburg an der Donau. Dann begruben sie alle zusammen die Leiche der ermordeten Frau, wo sie später gefunden wurde. Eine Autopsie und Untersuchung ergab, dass die Überreste Mariam gehörten, die als vermisst galt.

Einige Tage später kam die Polizei auf die Spur der Brüder, Beweise für ihre Beteiligung an dem Verbrechen wurden durch Zeugenaussagen und Überwachungskameras erhalten.

Der Mord hat in der deutschen Gesellschaft die Debatte über Ehrenmorde neu entfacht. Viele stellen sich die Frage – wo und warum entsteht so ein unbändiger Hass auf europäische Werte und Lebensweisen?

Der Vorstandsvorsitzende der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, Martin Lesentin, ist sich sicher, dass es vor allem um patriarchale Ansichten in Verbindung mit Traditionen und religiösen Positionen geht. Darüber hinaus sind Männer, die immer eine dominierende Rolle gespielt haben, gezwungen, beruflich mit Frauen zu konkurrieren und in einer freien Gesellschaft zu leben. Clara Rigoni, Spezialistin vom Max-Planck-Institut, Forscherin für Kriminalität, Sicherheit und Recht, stimmt ihm zu:

„Es geht im Grunde um die Kontrolle der Männer über das Sexualleben von Frauen. Die sexuelle Ehre von Frauen, die ihrer Meinung nach Familien schützen sollten. Und es sind nicht nur muslimische Familien.“

Frau Rigoni glaubt, dass Frauen auf der ganzen Welt Opfer solcher Verbrechen sind. Solche patriarchalen Strukturen gab es zu unterschiedlichen Zeiten in verschiedenen Regionen, nennt sie in diesem Zusammenhang Südostasien, Afrika, Lateinamerika. Dort, wie auch im Mittelmeerraum, gibt es noch immer Zwangsheiraten, manchmal passiert dort heute ähnliches.

Der Mord an einer 34-jährigen afghanischen Frau steht im Einklang mit einer anderen ähnlichen Tragödie. Im Winter 2005 wurde der 23-jährige Khatun Syuryuchi an einer Bushaltestelle erschossen. Sie wurde von ihrem Bruder getötet, um „die Ehre der Familie zu schützen“. Das Mädchen wurde zwangsverheiratet, verließ aber nach der Geburt ihres Sohnes die Familie und beschloss, nach Berlin zurückzukehren. Ihr ehrenbezogener Mord wurde zu einem der aufsehenerregendsten Verbrechen in Deutschland und sorgte für einen öffentlichen Aufschrei.

Die aktuelle Debatte um die junge Afghanin hat auch die politische Ebene erreicht. Am Vorabend der Bundestagswahl findet eine aktive Diskussion über die aktuelle Politik statt. Kai Wegner, Landesvorsitzender der CDU Berlin, sagt:

„Wir brauchen eine offene Debatte über Integration, die an archaischen Werten gescheitert ist, die nach dem Zuzug nach Deutschland bestehen bleiben. Junge Frauen mit Migrationshintergrund werden zunehmend Opfer häuslicher Gewalt.“

Franziska Giffey, eine führende Berliner Politikerin der SPD, schreibt auf Twitter:

„Ich war schockiert über den monströsen Mord an einer jungen Frau und Mutter. Sie wurde wegen der gekränkten Ehre der Familie aus ihrem Leben genommen, weil sie so lebte, wie sie es wollte.

Auch Bettina Jarash, Berlins Bürgermeisterkandidatin der Sojus 90/Grüne, äußerte sich auf Twitter:

„Wenn eine Frau getötet wird, nur weil sie ihr freies Leben führen wollte, ist das ein Albtraum-Verbrechen. Wir müssen solche Verbrechen auf alle Arten bestrafen, die dem Rechtsstaat zur Verfügung stehen.“

Aber die Linkspartei-Politikerin Elke Breitenbach hält es für inakzeptabel, solche Verbrechen als Ehrenmorde zu bezeichnen, das täuscht kriminelle Handlungen rein:

„Es war ein abscheuliches Verbrechen, deshalb verwende ich das Wort Femizid dafür. Es bedeutet, Frauen wegen ihres Geschlechts zu töten. Es geht immer um patriarchale Strukturen. Und die Täter sind Ehemänner, Partner, Brüder, Väter und Söhne.“

Beatrix von Storch von der oppositionellen Alternative für Deutschland reagierte auf den Standpunkt der Politikerin:

Breitenbachs Reaktion auf den „Islamistenmord in Berlin“ zeige erneut, dass „die Integrationsideologie der Linkspartei gescheitert ist, sie entspricht nicht der Realität.

In einem sind sich die Politiker jedoch einig: Es ist notwendig, in einer liberalen deutschen Gesellschaft alles zu tun, um solche Verbrechen unmöglich zu machen. Wie? Martin Lesentin zum Beispiel glaubt, dass Bildung helfen wird. Es braucht ein langfristiges System, das die Integration von Migranten in die deutsche Gesellschaft erleichtert:

„Das ist wichtig, weil wir am Beispiel mehrerer Migrationswellen heute noch sehen können, dass in Deutschland lebende Menschen in der dritten oder vierten Generation immer noch sexistische Einstellungen haben, die zu solchen Straftaten führen können.“

Auch Clara Rigoni vertritt seinen Standpunkt – trotz der Schwierigkeiten sei es notwendig, patriarchale Strukturen abzubauen. Als Beispiel nennt sie Norwegen, wo Migranten Integrationskurse besuchen, in denen sie unter anderem über die sexuelle Freiheit von Frauen unterrichtet werden.





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